Das akute Koronarsyndrom (ACS) ist der Übergriff für 3 Krankheitsbilder, die alle dieselbe Ursache haben:
Sie werden durch eine kritische Verengung bzw. den Verschluß einer Herzkranzarterie verursacht, wobei die Frage, welches der 3 genannten Krankheitsbilder aus diesem Gefäßproblem resultiert davon abhängt, ob das Gefäß noch offen, aber hochgradig verengt ist oder ob das Gefäß mehr oder weniger vollständig verschlossen ist.
Das Gefäßproblem betrifft die Herzkranzarterien (Abb. 1), über die ich in Band 3 dieser eBook-Reihe (Anatomie) schon genauer berichtet habe.
Es handelt sich bei diesen Gefäßen zusammengefaßt um diejenigen, die den Herzmuskel (= Myokard) mit seinen 4 Wänden (Vorderwand, Hinterwand, Seitenwand, Septum (=Trennwand zwischen der rechten und linken Herzkammer))mit Blut und damit mit Sauerstoff und Nährstoffen ernähren.
Abb. 2 |
Arteriosklerose nennt man diejenige Erkrankung, die arterielle Blutgefäße verengt oder sogar verschließt. Sie kann alle Arterien des Körpers betreffen. An den Herzkranzarterien nennt man sie Koronarsklerose.
Gesunde Herzkranzgefäße (Koronararterien oder Koronarien) bestehen aus 3 Schichten (Abb. 2):
Abb. 3 |
Querschnitt einer Arterie mit Entstehung eines Gefäß-Plaques, der zu einer Einengung des Gefäßes führt |
Durch bestimmte Krankheiten und Risikofaktoren (z.B. Blutzucker-Krankheit (Diabetes mellitus), Bluthochdruck, Blutfettwerterhöhung oder Zigarettenrauchen) bilden sich hier Fettpolster (sog. Plaques). Diese Fettpolster in der Gefäßwand wachsen über Monate oder sogar Jahre langsam heran (Abb. 3) und führen hierdurch zu einer Verengung des Gefäßinnenraums.
Erst wenn der Gefäßinnenraum bedeutsam, d.h. um etwa 75% verengt ist verspürt der betroffene Mensch Beschwerden, die man als Angina pectoris bezeichnet. Geringere Verengungen bemerkt der Betroffene selber in aller Regel nicht und sie können auch vom Arzt nicht im EKG oder Ultraschallbild erkannt werden. Und dennoch sind gerade Verengungen eines Ausmaßes von 50% bereits gefährlich:
Film 1 |
Je nach der Härte der Gewebskappe über dem Fettpolster, der Beschaffenheit des Polsters (weiches, flüssiges oder härteres, starres Fett) und nach den mechanischen Belastungen des Fettpolsters durch den Blutdruck kann das Polster beschädigt werden.
Jeder Herzschlag führt nämlich über die Druckwelle des ausgeworfenen Blutes zu einer Verbiegung des Polsters so ähnlich, wie sie dies in dem Film 1 sehen, der die Verbiegungen von Bäumen zeigt, die von der Druckwelle einer Bombenexplosion getroffen werden.
Unter bestimmten ungünstigen Verhältnissen wird das Fettpolster durch seine Verbiegung infolge einer solchen Druckwelle beschädigt. Dabei reißt die Gewebskappe über dem Fettpolster ein und das Fett quillt in den Innenraum des Gefäßes wie Sie dies vielleicht von einem Pickel kennen, den man ausdrückt.
Wenn das Blut nun in direkten Kontakt mit diesem Fett kommt gerinnt es auf der Stelle.
Dies ist nicht böse vom Blut gemeint, denn es handelt sich um denselben Vorgang wie bei einer Verletzung der Haut:
Abb. 4 |
Auch hier gerät Blut in Kontakt mit dem Fettgewebe der Haut. Das Blut gerinnt auch hier, um die Verletzungsblutung zu stillen.
Dieser an und für sich gut gemeinte Versuch der Blutstillung gerät am Herzen aber zu einer Katastrophe, denn es entsteht durch den oben beschriebenen Vorgang ein Blutgerinnsel direkt innerhalb des Gefäßes und dieses Blutgerinnsel blockiert den Blutfluß (Abb. 4) und verstopft das Gefäß.
In der Folge dieses Vorgangs bricht die Blutversorgung des Herzmuskel in der von der verstopften Arterien zusammen, der Herzmuskel bekommt kein Blut und damit keinen Sauerstoff und keine Nährstoffe mehr, er stirbt ab.
Dieses Absterben des Herzmuskels nennt man „Herzinfarkt“.
Nun muß das Gerinnsel die Arterie nicht immer vollständig verschließen. Es kann durchaus auch sein, daß kleine Gerinnselchen entstehen, die zunächst an der Gefäßwand haften, die dann aber unter ungünstigen Bedingungen von der Gefäßwand lösen und dann weiter in das Gefäß hineingespült werden. Dabei verstopfen sie dann weiter „flußabwärts“ kleinere Gefäße oder (wenn die Gerinnsel sehr klein sind) sie lösen sich wieder auf.
Diese 3 Möglichkeiten entscheiden darüber, ob ein vollständiger, ein unvollständiger Herzinfarkt oder eine instabile Angina entstehen.
Abb. 5 |
Schematische Darstellung eines transmuralen Infarktes Das Bild stammt von Mikael Häggström und kann im Internet von jedermann genutzt werden. |
Die Bezeichnung „vollständiger Infarkt“ beschreibt die Tatsache, daß es bei diesem Infarkt zu einer Schädigung der Herzwand in ihrer gesamten Dicke kommt (Abb. 5).
Weil die Schädigung die Wand in ihrer gesamten Dicke umfaßt spricht man auch von einem „transmuralen Infarkt“ oder, weil diese Infarktform im EKG ein ganz spezielles Aussehen hat, auch von einem „ST-Strecken-Hebungsinfarkt“ (engl.: ST-elevation-myokardial-infarction = STEMI) (siehe unten unter EKG).
Er entsteht bei dem vollständigen Gefäßverschluß durch das Gerinnsel.
Dieser Verschluß blockiert den Blutfluß zu dem Teil des Herzmuskels, der von der betroffenen Arterie versorgt wird. Der Herzmuskel wird hierdurch vom Absterben bedroht.
Abb. 6 |
Nun stirbt der Herzmuskel nicht in dem Bruchteil einer Sekunde ab, in dem sich das Gefäß mit dem Blutgerinnsel verschließt. Genauso wie jedes andere biologisches Gewebe kann auch der Herzmuskel eine Zeitlang ohne Blutzufuhr existieren, wobei die Herzmuskelzellen von ihren Vorräten leben, die sie zuvor angelegt hatten. Die Zeit, in der ein Herzmuskel auch ohne Blutzufuhr überleben kann ist aber relativ kurz:
Bis zu 30 Minuten überlebt der Herzmuskel ohne Folgeschäden, wenn es gelingt, die Blutversorgung bis zu diesem Zeitpunkt wieder herzustellen (Abb. 6).
Mit zunehmender Dauer der fehlenden Durchblutung des Gefäßes stirbt aber immer mehr Herzmuskel ab, ohne daß man ihn nachfolgend durch welche Therapie auch immer wieder zum Leben erwecken kann. Schon nach 2 ½ Stunden ist die Hälfte des Herzmuskels irreparabel abgestorben und 12 Stunden nach der Entstehung des Gerinnsels ist der Muskel in der betroffenen Herzgegend vollständig abgestorben.
Abb. 7 |
Vernarbung der Vorderwand der linken Hauptkammer (nach oben gelegene weißliche Verfärbung der Herzwand) Diese Graphik von Patrick J. Lynch, einem genialen Medizin-Illustrator, ist für jedermann im Internet zugänglich |
Aus diesem Grund ist es so wichtig, die verstopfte Arterie so schnell wie möglich wieder zu eröffnen (siehe unten unter Therapie).
Ist der Herzmuskel erst einmal abgestorben wird er durch Narbengewebe ersetzt (Abb. 7).
Dieser Vorgang der Beseitigung des abgestorbenen Muskels und seinem Ersatz durch Narbengewebe dauert etwa 5 - 8 Wochen, bis er vollständig abgeschlossen ist.
Film 3 |
Alter Vorderwandinfarkt bei einer Herzkatheteruntersuchung. Sie sehen die Darstellung der linken Herzkammer, die mit Kontrastmittel gefüllt wird. Beachten Sie, daß sich die Vorderwand (nach oben gelegene Wand nicht mehr bewegt, während sich die Hinterwand (nach unten gelegene Wand) kräftig bewegt. |
Narbengewebe ist nicht mehr aktiv:
Die Aufgabe des Herzmuskels besteht darin, Blut zu pumpen. Narbengewebe kann dies nicht mehr, es ist bewegungslos, pumpt nicht mehr und nimmt an der Arbeit des Herzens nicht mehr teil (Film 3).
Je nachdem, wieviel Herzmuskel beim Herzinfarkt zerstört wurde kann diese Narbenbildung dazu führen, daß das gesamte Herz geschwächt wird, den Körper nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt und eine Herzschwäche mit Luftnot und Wasseransammlungen in Lungen, Bauch oder Beinen verursacht. Immer dann, wenn eine solche Herzschädigung durch abgestorbenen Herzmuskel und Vernarbungen des Herzmuskels auftreten ist die Lebensdauer eines Menschen verkürzt und es können sich neben der Herzschwäche auch teilweise gefährliche Herzrhythmusstörungen einstellen.
Aus diesem Grund ist es so wichtig, die blockierte Herzkranzarterie so schnell wie möglich wieder zu eröffnen, damit sich wenn möglich überhaupt keine oder wenigstens eine nur möglichst kleine Narbe bildet.
Abb. 8 |
Das Bild stammt von Mikael Häggström und kann im Internet von jedermann genutzt werden. |
Bei dieser Form des Herzinfarktes trifft die Muskelschädigung nicht die gesamte Dicke einer Herzwand, sondern nur Teile davon. In der Regel ist die Innenseite der Herzwand betroffen (Abb. 8, rechts oben), es können aber auch mehr diffuse Schädigungen auftreten (Abb. 8, unten).
Ursache ist meistens ein geplatzter Plaque in einer Koronararterie und die Entstehung eines Blutgerinnsels, das das Gefäß aber nicht vollständig verschießt, das sich loslöst und weiter ins Gefäß fließt, wo es sich entweder schnell auflöst oder durch den Aufprall an einer Gefäßverzweigung in viele kleine Gerinnselchen „zerplatzt“, die sich ebenfalls schnell wieder auflösen. Weil die Schädigung die Wand nicht in ihrer gesamten Dicke umfaßt spricht man auch von einem „nicht transmuralen Infarkt“ oder, weil diese Infarktform im EKG ein ganz spezielles Aussehen hat, auch von einem „Nicht-ST-Strecken-Hebungsinfarkt“ (engl.: Non-ST-elevation-myokardial-infarction = NSTEMI) (siehe unten unter EKG). Andere Bezeichnungen für solche Infarkte sind:
Film 4 |
Darstellung der linken Herzkammer bei NSTEMI der Hinterwand Beachten Sie den nach links im Bild gelegenen Teil der Hinterwand (nach unten weisende Herzwand), der sich etwas müder als die anderen Wände bewegt |
Beim nicht transmuralen Infarkt hängt das Ausmaß der Schädigung der Herzmuskulatur der von der jeweiligen Arterie versorgten Wand davon ab, wieviel Herzmuskel in der Dicke der Wand betroffen ist. So kann es sein, daß man (wie in Film 4) eine nur geringe Pumpschwäche beobachtet, es kann aber (bei nur geringer Menge geschädigten Herzmuskels) durchaus auch ein normales Pumpverhalten gesehen werden. Dennoch ist auch ein NSTEMI als Notfall anzusehen, denn es droht jederzeit und unberechenbar der vollständige Verschluß des Gefäßes mit der Entwicklung eines STEMI.
Abb. 9 |
Bei der instabilen Angina liegt kein Gefäßverschluß vor und es besteht auch kein Blutgerinnsel. Das Gefäß ist aber sehr stark verengt, daß kaum noch Blut hindurchfließt.
Sehen Sie sich, um dies zu verstehen, Abb. 9 an.
Sie sehen hier den Querschnitt einer Arterie mit ihren verschiedenen Wandschichten und einem Plaque, der den Innenraum des Gefäßes einengt (linkes Bild). Rechts im Bild sehen Sie nun, was geschieht, wenn sich der noch aktive Gefäßwandmuskel (aus welchem Grund auch immer) zusammenzieht:
Der Plaque ist relativ starr, sodaß sich das Zusammenziehen des Gefäßmuskels hier nicht auswirken kann; der von der Arteriosklerose aber nicht betroffene Teil des Gefäßwand ist aber noch elastisch. Hier führt das Zusammenziehen des Muskels also zu einer Verengung des Gefäßinnenraums, sodaß dieser, ohnehin durch den Plaque schon verengt, weiter eingeengt wird.
Dies führt dann zu einer kritischen Verengung des Gefäßes, der Blutstrom nimmt ab, der von diesem Gefäß versorgte Herzmuskel gerät unter Sauerstoffmangel und verursacht Beschwerden (Angina pectoris). Erschlafft der Gefäßmuskel wieder (entweder spontan oder durch die Gabe von Medikamenten) nimmt die Gefäßverengung wieder ab, der Blutstrom und damit die Sauerstoffversorgung des Herzmuskels nehmen zu und die Beschwerden verschwinden wieder.
Weil das Zusammenziehen des Gefäßmuskels oft ohne erkennbare Ursache erfolgt treten die Angina pectoris-Beschwerden ebenfalls unberechenbar auf, weshalb diese Beschwerden auch „instabile Angina“ genannt werden.
Es ist nicht nur die beschriebene, unberechenbar auftretende Aktivität des Gefäßmuskels, die eine solche instabile Angina auslösen kann. Es kann durchaus auch sein, daß sich an der rauen Wand des Plaque kleine Gerinnsel bilden, die das Gefäß zwar nicht verstopfen, die aber (vorübergehend) zu einer weiteren Einengung des ohnehin schon stark verengten Gefäßes und damit zu einer Durchblutungsstörung des Herzmuskels, zu dessen Sauerstoffmangel und damit zu entsprechenden Beschwerden führen.
Löst sich das winzige Gerinnsel wieder von der Plaqueoberfläche und wird er in die Verzweigungen des Gefäßes gespült wird der Blutstrom wieder freigegeben und die Beschwerden klingen wieder ab.
Wie Sie dieser Schilderung entnehmen können entsteht bei der instabilen Angina zunächst kein Herzmuskelschaden wie bei STEMI oder NSTEMI. Man betrachtet dieses Krankheitsbild aber dennoch als hochgefährlich, weil man zu jedem Zeitpunkt und unberechenbar mit dem Aufbrechen des Plaques, mit der Entstehung eines großen Blutgerinnsels und damit mit einem Herzinfarkt rechnen muß. Daher muß beim Auftreten einer instabilen Angina unverzüglich weiter mittels Herzkatheter untersucht (siehe unten) und behandelt werden.
Abb. 10 |
Wie Sie schon gelesen haben erfolgt die Ernährung des Herzens und seiner 4 Wände (Vorderwand, Hinterwand, Seitenwand, Septum (=Trennwand zwischen der rechten und linken Herzkammer) durch die verschiedenen Herzkranzarterien (Abb. 10).
Eine dieser Herzkranzarterien (= RIVA = Ramus interventicularis anterior = vordere absteigende Arterie, oder engl: LAD = left anterior descendend) versorgt die Vorderwand, zahlreiche Nebenäste dieses Gefäßes (= Septaläste) das Septum, ein Gefäß die Seitenwand (= Ramus circumflexus = herzumgreifende Arterie) und ein Gefäß die Hinterwand (rechte Herzkranzarterie = Hinterwandarterie).
Wenn sich eines dieser Gefäße verschließt (siehe oben) wird die Herzwand, die von diesem Gefäß ernährt wird, nicht mehr mit Blut, Sauerstoff und Nährstoffen versorgt und der Herzmuskel dieser Herzwand stirbt ab. Je nachdem, welche Herzkranzarterie und damit welche Herzwand betroffen ist spricht man von Vorderwand-, Seitenwand-, Hinterwand-, Herzspitzen- und Septal-Infarkt.
Die oben genannten großen Herzkranzarterien geben kleinere Nebenäste ab, die die vordere oder hintere Seitenwand mit Blut versorgen. Je nachdem, welche dieser Seitenäste von dem Gefäßverschluß betroffen sind unterscheidet man auch Vorderseitenwand- und Hinterseitenwand-Infarkte.
Abb. 11 |
Die Symptome eines akuten Koronarsyndroms entsprechen zu Beginn denen der Angina pectoris. Der Schmerz eines NSTEMI oder STEMI wird hinter dem Brustbein oder an anderen Stellen des Brustkorbes, der Schultern, des Halses, des linken Armes oder im Rücken zwischen den Schulterblättern (Abb. 11) empfunden.
Zudem ist er häufig stärker als der Angina pectoris-Schmerz außerhalb eines akuten Koronarsyndroms und wird als „Vernichtungsgefühl“ beschrieben.
Oft ist der Herzinfarkt-Patient blaß und schweißüberströmt. Ebenso wie bei stabilen Angina pectoris bei der koronaren Herzkrankheit (siehe dort) gibt es auch beim Herzinfarkt untypische Beschwerden:
Diese können in mehr oder länger andauernden Luftnot-Anfällen oder Herzstolpern, Schwindel und Ohnmachtsanfällen bestehen.
Besonders bei Frauen treten Herzinfarkte oft mit solchen untypischen Beschwerden auf. Sie empfinden den Infarkt oft als eine Phase starker Müdigkeit, allgemeiner Schwäche und Hinfälligkeit.
Manche Patienten, vor allem Diabetiker, können auch „stumme Infarkte“ erleiden. In diesen Fällen treten oftmals keinerlei oder nur minimale und/oder uncharakteristische Brustbeschwerden auf, die man nicht in den Zusammenhang mit einem Herzinfarkt bringt. Daß es sich bei diesen Bagatellbeschwerden um einen Herzinfarkt gehandelt hat erkennt der Arzt oft erst zufällig, wenn bestimmte EKG-Veränderungen oder Vernarbungen im Echokardiogramm beobachtet werden.
Man kann ein akutes Koronarsyndrom nicht anhand typischer Beschwerden erkennen, denn die stabile Angina pectoris macht oft dieselben Beschwerden. Man benutzt vielmehr bestimmte technische Untersuchungsmethoden:
Abb. 12 |
Typischerweise erkennt man den frischen transmuralen Herzinfarkt im EKG an bestimmten Veränderungen des Kurvenverlaufes. Dabei handelt es sich um Hebungen der ST-T-Strecke (rote Markierung in Abb. 12), die dem STEMI auch seinen Namen gegeben haben.
Je nachdem, in welchen der 12 EKG-Ableitungen diese ST-Hebungen gesehen werden kann man den Infarkt lokalisieren (Vorderwand, Hinterwand, Seitenwand, usw.).
Abb. 13 |
Sehen Sie in Abb. 13 das EKG eines Hinterwandinfarktes (rechts) mit den typischen Hebungen in den Ableitungen II und III und links das EKG eines Vorderwandinfarktes mit der (wenn auch nur geringen) ST-Hebung in Ableitung I.
Abb. 14 |
Die Ausheilung des Infarktes und die Entstehung der Infarktnarbe verursacht ebenfalls bestimmte Veränderungen der EKG-Kurven (Abb. 14).
Der Arzt kann aus dem EKG daher oft erkennen, wie alt der STEMI ist. Das Infarktalter kann man aus dem EKG nicht genau bestimmen, aber eine grobe Schätzung ist möglich.
Man unterteilt bzgl. des zeitlichen Verlaufes der EKG-Veränderungen eines STEMI mehrere Stadien:
Abb. 15 |
Abb. 16 |
Abb. 17 Sehen Sie in Abb. 17 ein solches Folgestadium.
Beachten Sie die Ableitungen II und III. Hier sehen Sie tiefe Q-Zacken und flach terminal negative T-Wellen als Überbleibsel des Infarktes und (mit viel Phantasie) auch eine diskrete Hebung der ST-Strecken. Es könnte aber auch sein, daß in einem solchen Folgestadium nur die Q-Zacken übrig bleiben.
Abb. 18 Älterer Infarkt im EKG. Man sieht u.a. die negativ, d.j. nach unten verlaufenden T-Wellen (Pfeile). Das Bild entspricht einem späten Zwischenstadium. Sehen Sie z.B. in Abb. 18 das EKG eines Patienten, der einen STEMI erlitten hatte.
Man kann nicht genau sagen, vor wievielen Tagen oder Wochen der Infarkt stattgefunden hat, aber das EKG zeigt, daß er schon älter ist, denn es zeigt mit den nur geringen Negativierungen der T-Welle ein Zwischenstadium.
Abb. 19 |
Und in Abb. 19 kann man EKG-Aufzeichnungen eines Patenten sehen, der einen Vorderwand-STEMI erlitten hatte:
Das Stadium 1 ist das frische Stadium, man sieht die typischen ST-Hebungen.
Stadium 2 (Zwischenstadium) zeigt das EKG 15 Tage nach dem Infarkt.
Und schließlich sieht man im rechten EKG das Bild 1 Monat später (Stadium 3), wo es sich fast (wenn auch nicht vollständig) wieder normalisiert hat (Folgestadium).
Wie gesagt: Eine genaue zeitliche Zuordnung des Infarktalters ist im EKG nicht möglich, aber es ermöglicht schon eine gewisse Abschätzung.
Natürlich ist das EKG auch bei Menschen mit älteren Infarkten wichtig und sinnvoll; seine größte Bedeutung hat es aber in der Akutdiagnostik, nämlich um zu klären, ob die Brustschmerzen eines Patienten auf einen STEMI zurückzuführen sind.
Anders als beim STEMI gibt es für den NSTEMI keine eindeutigen EKG-Veränderungen. Das EKG kann vielmehr völlig normal bleiben und man erkennt diese Infarkt-Sorte nur an bestimmten Veränderungen der Laborwerte (s.u.).
Abb. 20 |
Wenn sich das EKG beim NSTEMI verändert dann keinesfalls in Gestalt von ST-Hebungen (denn sonst wäre es ja ein STEMI). Vielmehr kann man oft nur
Abb. 21 |
In Abb. 21 sehen Sie das EKG eines Patienten, der sich mit Brustschmerzen vorstelle.
Man sieht negative T-Wellen in den Ableitungen I, II, aVL, V3 - V6, von denen der Hausarzt sagt, daß sie beim letzten EKG vor 7 Monaten noch nicht vorgelegen hätten.
Diese Veränderungen könnten prinzipiell auch dem Folgestadium eines STEMI entsprechen, jedoch sprachen die Laborergebnisse und das Ergebnis einer Herzkatheteruntersuchung dagegen. Es handelte sich um einen NSTEMI.
Für den zeitlichen Verlauf eines NSTEMI im EKG gibt es keine eindeutigen Regeln, d.h. man kann nicht sagen, daß man nach 1 oder 2 Tagen diese oder jene Veränderung beobachten.
Abb. 22 |
Und man kann mit der weiteren Diagnostik (Herzkatheteruntersuchung) bzw. Therapie aber auch nicht so lange warten, bis man evtl. solche Veränderungen sieht. Das ist der Grund dafür, daß man (anders als beim STEMI, wo die Infarktdiagnose schon aus dem EKG klar ist) beim NSTEMI primär auf die Labordiagnose angewiesen wird.
Instabile Angina
Bei Menschen, bei denen während eines Angina pectoris-Anfalles ein EKG geschrieben wird zeigen sich bestimmte Veränderungen der Kurven (Abb. 22).
Man sieht die charakteristischen abfallenden ST-Strecken (= deszendierende ST-Strecken-Verlauf), oft ist das EKG bei Angina pectoris-Patienten aber auch normal.
Wenn Herzmuskel abstirbt werden chemische Substanzen, die sich normalerweise nur im Inneren der Herzmuskelzellen befinden freigesetzt und gelangen ins Blut. Diese sog. „Herzenzyme“, kann man bei Blutuntersuchungen feststellen.
Zu diesen Herzenzymen gehören beispielsweise das Troponin T oder Troponin I, ein Enzym namens CK oder ein anderes mit Namen LDH. Immer dann, wenn diese Enzyme vermehrt im Blut nachgewiesen werden kann man davon ausgehen, daß Herzmuskelzellen zugrunde gegangen sind, wobei es natürlich aber auch andere Ursache für ihre vermehrte Freisetzung gibt. Sie spielen aber bei der Unterscheidung der verschiedenen Krankheitsbilder eines akuten Koronarsyndroms eine entscheidende Rolle:
Die einzelnen Herzenzyme werden, wenn sie einmal ins Blut gelangt sind, unterschiedlich schnell abgebaut oder ausgeschieden.
Aus der Höhe der Enzymkonzentrationen im Blut im Vergleich zu anderen Herzenzymen kann man ebenfalls das Alter eines Herzinfarktes grob abschätzen.
Eine Ultraschalluntersuchung des Herzens (Echokardiographie) ist bei Patienten, bei denen man ein akutes Koronarsyndrom vermutet, wenig hilfreich, denn es ist nicht möglich, den Zustand der Herzkranzarterien mittels Ultraschall zu beurteilen, dafür sind sie zu klein und dünn. Dennoch kann eine Echokardiographie in bestimmten Situationen von Nutzen sein:
In der akuten Phase hat eine Ultraschalluntersuchung keinen Stellenwert, denn an der Diagnose und der sich hieraus automatisch ergebenden Herzkatheteruntersuchung würde die Echokardiographie nichts ändern, dies steht bereits nach dem EKG mit seinen typischen Veränderungen fest.
Zudem würde eine Echokardiographie wertvolle Zeit kosten und den Beginn der Katheteruntersuchung unnötigerweise verzögern.
Anders ist es hingegen in der Zeit nach dem Überstehen des akuten Ereignisses, denn hier kann man mit Hilfe des Echokardiogramms die Ausdehnung und die Größe des Infarkts sehen. Man betrachtet die diesem Zweck die Pumpbewegungen der linken Herzkammer und sucht danach, ob sich Bewegungsstörungen zeigen lassen.
Film 5 Beim STEMI kann durch den Sauerstoffmangel des Herzmuskels eine Narbe des Herzmuskels entstehen. Das vernarbte Gewebe kann sich nicht mehr bewegen, d.h. es nimmt an der Pumpfunktion der Herzkammer nicht mehr teil.
In Film 5 sehen Sie eine solche Vernarbung der Vorderwand, wie sie sich 2 Wochen nach dem Infarkt darstellte.
Die müden Bewegungen einer der dargestellten Herzwände (Pfeile) bewegt sich deutlich müder als die gegenüber liegende Wand. Wenn man sich die gesamte linke Herzkammer in verschiedenen Blickwinkeln ansieht kann man die Größe des Infarktes abschätzen und erkennen, welche Auswirkungen das geschwächte Gewebe auf die Funktion der gesamten Kammer hat. Dieses Wissen ist wichtig, wenn man die Lebenserwartung des Betroffenen abschätzen will (je schwächer die Pumpleistung der gesamten Kammer desto geringer ist die Lebenserwartung) und wenn man sich überlegen muß, mit welcher Medikation ein Patient zu behandeln ist (Näheres hierzu im ebook über die Herzschwäche).
Eine Ultraschalluntersuchung des Herzens 4 - 8 Wochen nach dem akuten Infarkt ist aber auch notwendig, um ein evtl. „Hibernating“ des betroffenen Herzmuskels zu erfassen:
Wenn sich eine Arterie verschlossen und zu einem STEMI geführt hat versucht man, die Arterie möglichst früh mit Ballonerweiterungstechniken wieder zu eröffnen und damit den Blutfluß wiederherzustellen.
Wenn die Wiedereröffnung des Gefäßes schnell erfolgt wird sich der Herzmuskel auch schnell wieder erholen und es wird kein dauerhafter Schaden verbleiben. Wenn aber bis zur Wiedereröffnung des Gefäßes längere Zeit verstreicht dann fällt der Herzmuskel in eine Art Schockzustand und es braucht längere Zeit, bis er sich wieder erholt hat. Dabei gibt es keine klar definierte Zeit bis zur Wiedereröffnung des Gefäßes, von der man zweifelsfrei sagen könnte, daß sich der Herzmuskel danach wieder aus seinem Schockzustand erholt.
Die einfachste Lösung dieses Problems ist die Durchführung einer Echokardiographie 4 - 8 Wochen nach dem STEMI und ein Vergleich mit der Ultraschalluntersuchung, die unmittelbar nach dem STEMI durchgeführt worden war. Pumpt der Herzmuskel in dem vom STEMI betroffenen Herzmuskel nach dieser Zeit wieder normal hat Hibernating (engl. für Winterschlaf) vorgelegen, pumpt er unvermindert schlecht dürfte der Herzmuskel (trotz der evtl. Wiedereröffnung des Gefäßes) vollständig vernarbt sein, pumpt er geschwächt, aber dennoch besser als kurz nach dem STEMI muß man von einer Teilvernarbung des Muskels ausgehen.
Für dieses Krankheitsbild gilt dasselbe wie für den STEMI:
In dem Moment, in dem klinisches Beschwerdebild, EKG und Laborwerte die Diagnose ergeben haben steht die Notwendigkeit zur Herzkatheteruntersuchung fest und eine Ultraschalluntersuchung würde diese Ablauf nur verzögern. Einzig dann, wenn die primären Untersuchungen (erfragen der Beschwerden, körperliche Untersuchung und EKG) keine eindeutige Diagnose ergeben haben ist eine Ultraschalluntersuchung sinnvoll. Denn wenn man bereits hier, unmittelbar nach der Vorstellung des Patienten, eine Wandbewegungsstörung der linken Herzkammer sähe, liegt die Diagnose eines NSTEMI bzw. einer instabilen Angina nahe und man würde in diesem Fall eher großzügig zur Herzkatheteruntersuchung weiter gehen.
Darüber hinaus kann man im Echokardiogramm auch evtl. andere Erkrankungen des Herzmuskels, der Herzklappen oder des Herzbeutels sehen, die die Beschwerden des Patienten auch außerhalb eines akuten Koronarsyndroms erklären können.
Dies ist eine wichtige Untersuchung, denn mit ihr wird ein akutes Koronarsyndrom definitiv und ohne Irrtumsmöglichkeit geklärt. Dennoch sollte man eine solche Untersuchung nicht unkritisch oder inflationär häufig einsetzen, denn es handelt sich um eine Untersuchung mit zwar wenigen, aber dennoch bestehenden nicht unerheblichen Risiken (siehe Band 11 dieser eBook-Reihe).
Der viel wichtigere Grund zur Durchführung einer Katheteruntersuchung ist aber die Ansicht des zugrunde liegenden Problems. Man sieht bei der Untersuchung nämlich Befunde, deren Ansicht sofort über das weitere Vorgehen entscheidet. Einige Beispiele zeige ich Ihnen in Abb. 23, 24, 25 und Film 6 ...........
Ende der Leseprobe
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