EKG

Die Informationen auf dieser Seite sind auch in einem eBook der Patienten-Akademie enthalten, in dem die verschiedenen EKG-"Arten" beschrieben werden.

Sie bekommen die Version dieses eBooks (Band 6 der eBook-Reihe) für die Ansicht auf einem


Vorbemerkungen

Ein EKG ist nichts anderes als die Aufzeichnung und graphische Darstellung der elektrischen Aktivität des Herzens. Daher stammt auch seine Bezeichnung: EKG = Elektrokardiogramm.

Es gibt verschiedene Arten des EKG, z.B. Ruhe-, Belastungs-, Langzeit-EKG oder den event-Rekorder.

Aufgezeichnet wird in allen Fällen die elektrische Aktivität des Herzens, also das EKG; die verschiedenen Arten unterscheiden sich lediglich durch die Umstände, unter denen es aufgezeichnet wird: Das Ruhe-EKG natürlich in körperlicher Ruhe, das Belastungs-EKG logischerweise unter körperlicher Belastung, mit dem Langzeit-EKG wird das EKG über einen längeren Zeitraum und mit einem event-Rekorder nur zu bestimmten Gelegenheiten bzw. bestimmten Umständen aufgezeichnet. Sie erfahren auf dieser Seite mehr über diese einzelnen Formen.

Prinzip des EKG

Entstehung eines EKG

Wenn Sie Band 3 dieser eBook-Reihe über die Anatomie gelesen haben dann werden Sie wissen, daß jede Zelle unseres Körpers elektrisch geladen ist, weil sich außerhalb und innerhalb der Zelle unterschiedliche Mengen positiv und negativ geladener Teilchen befinden. Sie verstehen dann auch Begriffe wie Membranpotential, Depolarisation, Spontandepolarisation und Repolarisation.

Nun sind dies alles Vorgänge an einzelnen Zellen und es stellt sich die Frage, wie aus diesen Vorgängen, die ja an mikroskopisch kleinen Zellen stattfinden eine derartig große Spannung entsteht, daß man sie mit Hilfe eines EKG außerhalb des Körpers auf Papier aufzeichnen kann.

Film 1
Abb. 1

Das Ganze hat mit der Muskelmasse des Herzens zu tun:

Der im Verlauf eines Herzschlags 1. elektrische Impuls wird im Sinusknoten gebildet, weil die Spontandepolarisation der dort befindlichen Zellen am schnellsten verlauft. Vom Sinusknoten aus wird dieser elektrische Impuls über die elektrischen Bahnen (siehe Band 3 dieser eBook-Reihe) über das ganze Herz verteilt (Abb. 1, Film 1):

Über die Vorhofbahnen zum av-Knoten und von hier aus über das HIS-Bündel, den rechten und die beiden linken TAWARA-Schenkel in die PURKINJE-Fasen, von wo aus er jede einzelne Herzmuskelzelle erregt.

Film 2

Dadurch, daß der elektrische Impuls den o.g. Leitungsbahnen folgt werden die einzelnen Wände und Wandabschnitte in einer bestimmten zeitlichen Reihenfolge erregt, wie man in Film 2 gut sehen kann.

Auf seinem Weg durch das Herz werden unterschiedlich dicke Muskelgebiete erregt: Die Wände der rechten Hauptkammer sind beispielsweise sehr dünn, diejenigen der linken Herzkammer sehr viel dicker und die Trennwand zwischen den beiden Hauptkammern (= Septum interventriculare) ist die dickste Herzwand.

Die Antwort auf die Frage, warum aus mikroskopisch kleinen elektrisch geladenen Zellen eine so große elektrische Spannung entsteht hat genau mit dieser Muskelmasse zu tun: Je größer das elektrisch erregte Muskelgebiet ist desto größer ist die elektrische „Summe“ dieses Areals.

Weil nun aber nicht der gesamte Herzmuskel gleichzeitig und auf einen Schlag erregt wird, sondern weil die verschiedenen (unterschiedlich dicken) Muskelgebiete in einer bestimmten Reihenfolge erregt werden entstehen zu den verschiedenen Zeiten im Ablauf eines Herzschlages elektrische Schwerpunkte an unterschiedlichen Stellen und zu unterschiedlichen Zeiten. Und nun kommen, vielleicht erinnern Sie sich noch an Ihren Matheunterricht, sog. Vektoren ins Spiel, also örtlich gerichtete Kräfte.

Dabei gibt es bei jedem Vektor einen Ausgangs- und einen Endpunkt:

Abb. 2
Abb. 3

Am Herzen ist der Ausgangspunkt der sog. Nullpunkt, den auf der nach innen gelegenen Seite des interventrikulären Septums liegt; der Endpunkt ist der elektrische Schwerpunkt des Herzmuskels zu einem bestimmten Zeitpunkt (Abb. 2).

Weil der elektrische Schwerpunkt im Verlauf eines Herzschlages wandert ändern sich auch Größe und Richtung des jeweiligen Vektors (Abb. 3).

In Abb. 3 ist dies zu verschiedenen Zeitpunkten eines Herzschlages dargestellt.

Film 3 Film 4

Man kann diese Vektorbewegung auch als Film darstellen (Film 3).

Wenn man die Punkte des elektrischen Schwerpunktes miteinander verbindet entsteht die sog. Vektorschleife (Film 4), die der Ausgangspunkt für weitere Darstellungen darstellt.

Wenn Sie sich eine solche Vektorschleife genau ansehen, dann werden Sie erkennen, daß es in gesamt 3 Bahnen gibt:

Und weil sich die Erregung auch in einer bestimmten Weise aus dem Herzen „zurückzieht“ gibt es 2 weitere Bahnen:

1 für die Rückbildung der Erregung in den Vorkammern und

1 für die Rückbildung der Erregung in den Hauptkammern.

Film 5
Abb. 4

Weil die Rückbildung der Erregung in den Vorkammern wegen deren nur sehr geringen Muskelmasse nur winzig klein ist kann man die „Bahn“ der Erregungsrückbildung in den Vorkammern nicht sehen, sodaß letztlich nur 3 Bahnen zu sehen sind (Abb. 4).

Und in Film 5 sehen Sie, wie sich die elektrischen Schwerpunkte über diese 3 Bahnen bewegt.

Sie wissen, wie sich die elektrische Erregung durch das Herz bewegt. Aber wie kann man nun ein EKG daraus schreiben?

Das Ganze funktioniert nur, wenn man die Ströme des elektrisch erregten Herzmuskels von außerhalb des Körpers ableitet und in ein elektronisches Gerät einspeist. Die Ableitung der Ströme erfolgt mit Hilfe sogenannter Elektroden.

Das sind Metallplättchen, die man auf der Haut des Körpers an bestimmten Stellen anbringt und die als Meßpole eines Spannungs-Meßgerätes fungieren. Dabei ist das EKG-Gerät nichts anderes als ein solches Spannungsmeßgerät, das seine Messungen graphisch darstellen kann.

Abb. 5

Mit Hilfe eines solchen Gerätes kann man also die elektrische Spannung zwischen 2 Polen messen. Je nachdem, an welcher Stelle man die Elektroden anbringt spricht man von Extremitäten- und von Brustwand-Elektroden. Betrachten wir zunächst die Extremitätenelektroden (Abb. 5):

Sie werden an beiden Hand- und beiden Fußgelenken angebracht und in einer bestimmten Weise im Inneren des EKG-Gerätes verschaltet.

So bezeichnet man die Ableitung zwischen dem Pol an der rechten und der linken Hand als „Ableitung I“, hier wird mit dem EKG als Meßgerät die Spannung zwischen rechter und linker Hand gemessen und im zeitlichen Verlauf aufgezeichnet.

Die Ableitung zwischen dem rechten Arm und dem linken Fuß wird als „Ableitung II“ und die Ableitung zwischen linkem Arm und linkem Fuß als „Ableitung III“ bezeichnet.

Abb. 6

Der Witz dabei ist nun (und das war eines der fundamentalen Verdienste von Herrn EINTHOVEN), daß man sich diese Ableitungen als eine Art Schaufenster auf das Herz vorstellen kann (Abb. 6):

Aus Ableitung I beispielsweise sieht man von oben auf das Herz; so als würde man auf einer Glasscheibe liegen und die Vektorenbahnen genau von oben betrachten. Aus Ableitung II sieht man die Vektorenbahnen von schräg rechts unten und aus Ableitung III von schräg links unten.

Auf diese Art und Weise und mit diesem Wissen um die Aufgaben der Ableitungen kann man nun verstehen, daß die verschiedenen Kurven eines EKG nichts anderes sind als die Abbildung des Erregungsablaufes auf den Vektorenbahnen aus verschiedenen Blickwinkeln. Vereinfacht gesagt:

Film 6

Wenn Sie sich ein Pendel vorstellen (Film 6) dann sehen Sie dieselbe Pendelbewegung von oben, von unten und von vorn in unterschiedlicher Weise. Die „echte“ Bewegung des Pendels müssen Sie sich in Ihrem Kopf vorstellen und zwar aus den Darstellungen der Pendelbewegungen aus den verschiedenen Blickwinkeln.

Und so können sie sich auch den dreidimensionalen Ablauf einer elektrischen Erregung durch das Herz nur in Ihrem Kopf vorstellen, wenn Sie die verschiedenen Ableitungen betrachten.

Nun besteht das EKG aber nicht nur aus 3 Kurven d.i. Ableitung I, II und III, sondern es sind in der Regel 12 Ableitungen. Die Ableitungen I, II und III kennen Sie ja nun schon; sie entstehen durch die Ableitung der Spannungsunterschiede zwischen Armen und Beinen:

Abl. I rechter Arm ↔︎ linker Arm
Abl. II linker Arm ↔︎ linkes Bein
Abl. III rechter Arm ↔︎ linkes Bein
Abb. 7

Bei 3 weiteren Kurven sind die Ableitungspunkte an Armen und Beinen dieselben, sie werden innerhalb des EKG-Gerätes nur anders verschaltet (Abb. 7):

aVR rechter Arm ↔︎ linker Arm + linker Fuß
aVL linker Arm ↔︎ rechter Arm + linker Fuß
aVF linker Fuß ↔︎ linker Arm + rechter Arm

Die Bezeichnung aVF bedeutet dabei die Abkürzung für „augmented Voltage Right“, aVL für „augmented Voltage Left“ und aVF für „augmented Voltage Foot“. Man nennt diese Ableitungen aVR, aVL und aVF auch „GOLDBERGER-Ableitungen“. Mr. GOLDBERGER war Amerikaner, daher die Bezeichnungen der einzelnen Ableitungen in Englisch.

Abb. 8

Auch diese GOLDBERGER-Ableitungen ermöglichen es, die Vektorenbahnen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, wobei sich die Ebene, aus der man sie betrachtet natürlich von den EINTHOVEN-Ableitungen unterscheiden (Abb. 8). (Kommen Sie mir jetzt nicht mit einem „Warum“, oder sehe ich aus wie ein verkappter Physikprofessor? Um das wirklich zu verstehen muß man sich mit Elektrophysik beschäftigen und zwar richtig lange und ich bin nur ein schlichter Arzt mit 4 Jahren Volksschule).

Somit haben wir also insgesamt 6 Extremitätenableitungen: I, II, III, aVR, aVL und aVF.

Und was ist mit den anderen 6 Kurven?

Dies sind sogenannte WILSON- oder Brustwand-Ableitungen.

Auch sie werden an bestimmten Stellen der Körperoberfläche angebracht, nun aber nicht an den Extremitäten, sondern an bestimmten Stellen des Brustkorbes. Und weil sie elektrisch innerhalb des EKG-Gerätes völlig anders verschaltet sind als die Extremitätenableitungen zeigen diese Ableitungen nur den Ablauf der Elektrik des Herzens an ganz bestimmten Punkten, nämlich denen, an denen sich die Elektroden befinden.

Abb. 9
Unterschied zwischen Extremitäten- und Brustwandableitungen:
Extremitätenableitungen verschaffen einen weiten Überblick (oberes Bild), Brustwandableitungen arbeiten wie das Fernglas von Napoléon: Man kann sich einen sehr detaillierten Einblick, aber keinen Überblick verschaffen (unteres Bild).

Übertragen auf das Beispiel mit der Pferderennbahn können Sie sich das so vorstellen, daß Sie bei den Extremitätenableitungen den Kopf in eine bestimmte Richtung halten, die Augen streng geradeaus richten und dann mit dem gesamten Blickfeld Ihrer beiden Augen den Rennverlauf verfolgen (Abb. 9). Durch ein solches relativ weites Blickfeld können Sie eigentlich die gesamte Rennstrecke „im Auge behalten“.

Bei den Brustwandableitungen sehen Sie hingegen durch ein Fernrohr, das Sie auf einen ganz bestimmten Punkt ausrichten. Sie verlieren den Überblick über das Gesamtgeschehen, können aber an dem Punkt, den Sie sich mit dem Fernrohr ansehen alles sehr detailliert sehen.

EKG-technisch gesehen kommt diese Sichtweise zustande, weil Sie bei bei dieser Methode als den einen Pol Ihres Meßgerätes die einzelne Brustwandelektrode und als anderen Pol den Zusammenschluß aller Extremitätenableitungen benutzen. (Die Frage nach dem „Warum“ darf ich an dieser Stelle wiederum bitten, einem Physikprofessor zu stellen; vergessen Sie aber, wenn Sie ihn das fragen nicht, Ihren Taschenrechner und eine Logarithmentabelle mitzunehmen, vor allem aber frischen Sie Ihre gehobenen Kenntnisse in Integral-, Vektoren- und Differentialmathematik auf, sonst wird´s peinlich!).

Abb. 10

Das hat es also mit den insgesamt 12 Kurven bzw. Ableitungen auf sich, die Sie in einem Routine-EKG sehen (Abb. 10).

Es gibt noch andere Ableitungen, auf die ich aber in diesem Zusammenhang nicht genauer eingehen möchte.

Um nun ein EKG aus dem Krankenhaus am Rande der Stadt mit demjenigen der benachbarten Universitätsklinik und dieses wiederum mit dem EKG des Hausarztes vergleichen zu können müssen die verschiedenen Ableitungspunkte des EKG von allen in der gleichen Weise angelegt werden. Daher sind diese Ableitungspunkte standardisiert. Und damit auch die Kabel, mit denen man die Signale aus den Ableitungspunkten korrekt in die Elektronik des EKG-Gerätes bekommt sind auch diese Kabel standardisiert und zwar nach Farben:

Für die Extremitätenableitungen benutzt man die Kabelfarben rot, gelb, grün und schwarz. Sie werden folgendermaßen angebracht:

rotes Kabel rechter Arm
gelbes Kabel linker Arm
grünes Kabel linker Fuß
schwarzes Kabel rechter Fuß

Die Brustwandableitungen sind ebenfalls mit Farben gekennzeichnet, zu denen ebenfalls rot, gelb, grün und schwarz gehören. Und damit man das rote Kabel der Extremitätenableitungen nicht mit dem roten Kabel der Brustwandableitung verwechseln kann ist die Farbgestaltung beider Elektrodenkabel bzw. Stecker unterschiedlich:

Abb. 11 Abb. 12

Die Stecker der Extremitätenkabel (Abb. 11) sind immer solide gefärbt, also komplett rot, gelb, grün oder schwarz. Die Brustwand-Stecker (Abb. 12) hingegen tragen nur einen gefärbten Ring, also einen roten, gelben, grünen, schwarzen, violetten und braunen Ring.

Die Ableitungspunkte der Brustwandableitungen hat man dabei folgendermaßen festgelegt (Abb. 13, Tab.1):

Abb. 13

Tab. 1
Ableitungsname Farbe des Steckerrings Position der Elektrode
V1 rot 4. ICR rechts parasternal
V2 gelb 4. ICR links parasternal
V3 grün genau in der Mitte der Strecke zwischen V2 und V4
V4 braun über der tastbaren Herzspitze
V5 schwarz dieselbe Höhe wie V4, aber in der vorderen Axillarlinie
V6 violett dieselbe Höhe wie V5, aber in der mittleren Axillarlinie

In dieser Tabelle tauchen 3 neue Begriffe auf: ICR, parasternal und Axillarlinie.

Dies sind also die sogenannten Standardableitung: 6 Extremitäten- und 6 Brustwandableitungen.

Abb. 16

In einigen speziellen Fällen kann es aber notwendig sein, zusätzliche Ableitungen zu schreiben, um den Verlauf der EKG-Stromkurve an ganz speziellen Stellen des Herzens, die in den Standardableitungen nicht abgebildet werden darzustellen. Man nennt solche Ableitungen „erweiterte Ableitungen“ (Abb. 16) und es handelt sich dabei ausschließlich um Brustwandableitungen, die an besonderen Stellen plaziert werden.

Man benutzt dazu die Elektroden und Stecker der „normalen“ Brustwandableitungen.

Nehmen Sie der Einfachheit halber immer die „normalen“ Brustwandableitungen V1 - V3 und plaziert diese eben an den speziellen Stellen:

Abb. 17
MRT-Darstellung der Brust mit dem Herzen. Eingezeichnet sind der rechte (RV) und der linke Ventrikel(LV), sowie die Position aller möglichen Brustwandelektroden.

Und wieder gibt es besondere Begriffe:

Medioclavicularlinie: Auf der vorderen Brust eine gedachte Linie, die oben in der Mitte des Schlüsselbein beginnt und von hier aus senkrecht nach unten verläuft.

Scapularlinie: Beginn am Wirbelsäulen-nahen Rand des Schulterblatts und von hier aus senkrecht nach unten

Paravertebrallinie: Gedachte Linie 1 Querfinger breit neben den tastbaren Dornfortsätzen der Wirbelsäule

Und damit Sie sich vorstellen können, welchen Teil des Herzens die normalen und erweiterten Brustwandableitungen darstellen sehen Sie in Abb. 17 eine CT-Darstellung des Herzens mit den eingezeichneten Ableitungspunkten:

Sie sehen mit dem MRT (Magnetresonanz-Tomographie) in dieser Abbildung von oben in den Brustkorb in Höhe des Herzens. Sie sehen den linken (LV) und den rechten (RV) Ventrikel.

Vielleicht können Sie sich nun vorstellen, was das mit den ganzen Brustwandableitungen zu tun hat: Sie dienen der detaillierten Darstellung des EKG-Stromkurvenverlaufs an ganz speziellen Stellen des rechten und linken vorderen und hinteren Ventrikels. Man benötigt solche erweiterten Ableitungen vor allem zur Lokalisation von Herzinfarkten (siehe Band 16 dieser eBook-Reihe über „das akute Koronarsyndrom (incl. Herzinfarkt)“).

Was kann das EKG?

Sie haben nun also gelernt, wie ein EKG zustande kommt. Das wirft nun die Frage auf, was es denn eigentlich kann und wozu man es durchführt.

Um es vorweg zu sagen: Das EKG kann ausschließlich Aussagen über den elektrischen Teil der Herzarbeit machen. Es besagt nichts über die Pumpkraft des Herzens oder die Funktion der Herzklappen.

Mit einem EKG kann man viele Diagnosen stellen, worüber Sie in den nachfolgenden Kapiteln noch hören werden. Grundsätzlich hat es aber „nur“ 3 Aufgaben:

Film 7

Das EKG dient also auch dazu, Probleme örtlich zuzuordnen. Andere Aufgaben hat das EKG eigentlich nicht.

Ein EKG ist sehr einfach anzufertigen und die Anfertigung eines EKG hat keinerlei Nebenwirkungen oder Komplikationen (es sei denn, daß die Untersuchungsliege, auf der sich der Patient befindet zusammenbricht). Seine Aussagekraft ist, je nachdem, wonach man sucht, oft auch nicht besonders groß. Trotzdem gehört es zu jeder kardiologischen Grunduntersuchung dazu. Denn wenn es positiv ist, d.h. wenn es etwas Krankhaftes anzeigt ist es wichtig und wenn es nichts anzeigt ist dies ebenso wichtig.

Die Aussagekraft eines EKG hängt aber ausschlaggebend davon ab, warum man es durchführt:

Stellt sich ein Mensch beispielsweise mit heftigen Brustschmerzen vor und das EKG zeigt die Zeichen eines frischen Herzinfarktes. Damit ist die Sache eigentlich klar. Ist das EKG aber komplett (!) normal ist die Diagnose eines Herzinfarktes wenig wahrscheinlich, aber dennoch natürlich nicht ganz auszuschließen.

Berichtet ein Mensch über Herzklopfen und man schreibt während einer solchen Phase ein EKG, das vollständig unauffällig ist hat er keine Herzrhythmusstörungen (basta!). Schreibt man aber bei einem beschwerdefreien Menschen ein EKG (z.B. im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung) dann wird die Sache schwierig, denn wenn man in einem Ruhe-EKG nichts besonderes findet kann er trotzdem krank sein und findet man Auffälligkeiten so besagt das noch lange nicht, daß eine bedeutsame Herzkrankheit vorliegt.

Also: Man kann den Befund eines EKG nur richtig einordnen, wenn man die Gesamtsituation berücksichtigt.

Anders herum und professionell ausgedrückt bedeutet dies, daß das EKG eigentlich nur „im klinischen Kontext“ interpretiert werden kann. Wenn Ihnen also jemand sagt, daß er doch erst vor 2 Wochen bei einer Vorsorgeuntersuchung ein EKG bekommen habe und daß dieses EKG normal gewesen sei und er jetzt nicht verstehen kann, warum er kurze Zeit später einen Herzinfarkt bekommen habe („Da hat der Arzt doch einen Fehler gemacht!“) dann wundert das nicht.

Betrachten Sie EKGs also immer mit einer gewissen Zurückhaltung und berücksichtigen Sie stets das klinische Bild, den Zustand, die Vorgeschichte und evtl. Beschwerden eines Menschen, bevor Sie das EKG interpretieren.

Ruhe-EKG

Prinzip

Abb. 18 Abb. 19

In den Kurven einer EKG-Aufzeichnung (Abb. 18) erkennt man verschiedene Zacken, Wellen und Strecken, die mit bestimmten Buchstaben bezeichnet werden und die in einer bestimmten Reihenfolge auftreten (Abb. 19):

Der Arzt kann aus der Formveränderung der verschiedenen Zacken und Wellen des EKG Rückschlüsse auf bestimmte Herzerkrankungen ziehen (siehe unten).

Wie wird ein EKG geschrieben?

Abb. 21 Abb. 22

Die Untersuchung findet im Liegen mit nacktem Oberkörper statt. An beiden Hand- und Fußgelenken werden mit Gummibändern oder Klammern Elektroden (= kleine Metallplättchen) befestigt (Abb. 21).

Auf der linken Brustseite werden an bestimmten Stellen über dem Herzens ebenfalls Elektroden mittels Saugnäpfen oder Klebeplättchen angebracht. Über jede dieser Elektrode werden die elektrischen Ladungen in denjenigen Herzteilen ableitet, über denen sich die Elektroden befinden. Jede Elektrode ist mit einem Kabel an ein EKG-Gerät angeschlossen, das die elektrischen Ladungen des Herzens empfängt und sie auf einem Papierstreifen darstellt (Abb. 22).

Abb. 23

Man erhält auf diese Weise 12 Kurven, die die elektrischen Ladungen und deren zeitlichen Verlauf über den verschiedenen Teilen des Herzens (Vorder-, Seiten-, Hinterwand) darstellen (Abb. 23).

Die Aufzeichnung eines EKG dauert etwa 5 Minuten.

Nach der Aufzeichnung der Kurven auf dem Papier werden Höhe, Dauer und Form der einzelnen Zacken, Wellen und Linien vom Arzt ausgemessen und auf ihre Form hin analysiert.

Was merkt man?

Nichts, die Untersuchung ist vollkommen schmerzlos.

Was kann passieren (Komplikationen)?

Nichts

Ergebnisse

Man kann mit einem EKG u.a. Herzrhythmusstörungen, Durchblutungsstörungen und Herzwandverdickungen erkennen.

Herzrhythmusstörungen

Abb. 24
Bild der Fa. Philips, Hersteller u.a. von EKG-Monitoren

Indem das EKG über den Zeitraum seiner Registrierung alle elektrischen Aktionen der Vor- und Hauptkammern aufzeichnet kann man die Regelmäßigkeit dieser Aktionen gut beurteilen und damit auch Abweichungen von dieser Regelmäßigkeit (= Herzrhythmusstörungen) gut feststellen.

Die Möglichkeit, Herzrhythmusstörungen schnell und unmißverständlich zu erkennen ist auch der Grund dafür, warum bei bestimmten medizinischen Untersuchungen und Behandlungen (z.B. Narkose oder Operation) stets ein EKG auf einem Monitor angezeigt wird (= Monitor-EKG) (Abb. 24).

Für genauere Informationen über Herzrhythmus- und Erregungsleitungsstörungen verweise ich auf Band 17 dieser eBook-Reihe über Herzrhythmusstörungen, das auch zahlreiche EKG-Beispiele enthält.

Durchblutungsstörungen

Sauerstoffmangel des Herzmuskels verursacht ganz spezielle Veränderungen. Sie werden in einem speziellen eBook über die koronare Herzkrankheit genau beschrieben und erklärt werden.

Herzinfarkt

Herzinfarkte verursachen, wenn sie gerade frisch aufgetreten sind charakteristische Veränderungen der EKG-Kurven. Gerade deshalb nimmt das EKG bei Menschen, die sich mit Brustschmerzen beim Arzt vorstellen einen besonders wichtige Rolle ein, denn hier im EKG kann man Herzinfarkte in der Regel sofort und eindeutig sehen.

Auch hier verweise ich auf Band 16 dieser eBook-Reihe über das akute Koronarsyndrom, in dem das, was beim Infarkt passiert genau beschrieben wird und in dem sich auch zahlreiche EKG-Beispiele finden.

Herzwandverdickungen

Bei Erkrankungen bestimmter Herzklappen (Herzklappenfehler) oder bei erhöhtem Blutdruck (Hochdruckkrankheit) muß der Herzmuskel vermehrte Arbeit leisten.

Bei einer Verengung der Ausgangsklappe des Herzens beispielsweise muß die linke Hauptkammer einen stark erhöhten Druck aufwenden, um das Blut durch die verengte Klappe in die Hauptschlagader zu pumpen. Diese vermehrte Arbeitsbelastung des Herzens führt zur Verdickung der Herzwände.

Man kann dies mit den Armmuskeln vergleichen, die dick und kräftig werden, wenn man täglich schwere körperliche Arbeit mit den Armen leisten muß.

Abb. 25
EKG bei verengter Aortenklappe
Beachten Sie die sehr hohen R-Zacken in den Ableitungen V4, V5 und V6 als Ausdruck der deutlichen Verdickung der Wände des linken Ventrikels
(Die Abl. V6 - V6 liegen über der linken Hauptkammer.)

Die Verdickung des Herzmuskels führt dazu, daß die elektrischen Ladungen, die die Herzmuskelzellen (in diesem Fall: des linken Ventrikels) bilden, größer werden, was sich im EKG in einer Erhöhung der Kammerzacken (R-Zacke) zeigt (Abb. 25).

Da es für den Arzt wichtig ist, die Verdickung des Herzmuskels zu erkennen, weil dies zu einer Veränderung der Behandlung führen kann, ist das EKG bei solchen Krankheiten ein wichtiges Hilfsmittel.