Die Informationen auf dieser Seite finden Sie in Band 41 einer eBook-Reihe der Patienten-Akademie.
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Schwindel ist ein Symptom, d.h. ein Beschwerdebild und keine Diagnose. Es ist sehr schwer, Schwindel präzise zu beschreiben, denn er wird von unterschiedlichen Menschen ebenso unterschiedlich wahrgenommen und beschrieben.
Streng genommen handelt es sich um eine Störung des Gleichgewichtssinns, die mit Übelkeit, Erbrechen und anderen Symptomen verbunden sein kann. In diesem strengen Sinne versteht man Schwindel als Dreh- oder Schwankschwindel. Es gibt aber eine Vielzahl von Empfindungen, die die Betroffenen als Schwindel bezeichnen, z.B. Benommenheit, Gleichgewichtsstörung oder das Gefühl, gleich ohnmächtig zu werden. Sie beschreiben dies mit Ausdrücken wie „Der Boden schwankt unter den Füssen“, „alles dreht sich“, man hat das „Gefühl, zu einer Seite zu fallen“ oder man man „geht unsicher als sei man betrunken“.
In vielen Fällen haben Patienten auch Schwierigkeiten, ihr Empfinden überhaupt in Worte zu fassen. Schwindel im klassischen Sinne hat etwas mit dem Gleichgewicht zu tun. Daher möchte ich zunächst den Gleichgewichtssinn erklären.
Verschiedene Organe sind daran beteiligt, daß sich der Körper stets im Gleichgewicht befindet:
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Abb. 1 |
Es besteht aus dem Hörorgan (Schnecke) und dem Gleichgewichtsorgan.
Die wichtigsten Bestandteile des Gleichgewichtsorgans sind die 3 Bogengänge mit den an ihrem Ende befindlichen Ampullen (Abb. 1).
Das gesamte System ist mit Lymphflüssigkeit gefüllt.
Die 3 jeweils nahezu kreisrunden Bogengänge werden dazu benutzt, um die Position des Kopfes zu bestimmen. Diese Bestimmung basiert auf dem Trägheitsprinzip:
Wenn sich der Kopf dreht bewegen sich die im knöchernen Schädel eingebauten Bogengänge zusammen mit dem Kopf. Die im Inneren der Bogengänge befindliche Lymphflüssigkeit folgt dieser Bewegung aber nur mit einer gewissen Verzögerung, was auf der Massenträgheit der Flüssigkeit der Flüssigkeit beruht. Sie kennen dieses Phänomen vom Busfahren.
Wenn man im Bus stehen muß und der Bus fährt plötzlich an wird man nach hinten geworfen. Der Bus bewegt sich, aber der Körper des Buspassagiers (= träge Masse) kann dieser Busbewegung nicht schnell genug folgen.
Film 1 Ebenso geschieht es bei Bewegungen mit der Lymphflüssigkeit in den Bogengängen: Die Bogengänge bewegen sich mit der Drehung des Kopfes, aber die träge Lymphflüssigkeit bewegt sich nur verzögert mit. Dadurch kommt es zu einer Strömung der Flüssigkeit innerhalb der Bogengänge.
Diese Strömung pflanzt sich bis in die Ampullen (= kleine Aufweitungen) der Bogengänge fort, wo sich „Sinneszellen“ befinden. Diese Sinneszellen tragen ein feines Härchen, das in eine steife Masse (= Gallertmasse) eingebettet sind. Die Strömung der Lymphflüssigkeit wirkt auf diese Gallertmasse, die der Strömungsbewegung wegen ihrer Masseträgheit aber nicht sofort folgen kann. Dies bewirkt eine Verbiegung der Härchen der Sinneszellen (Film 1).
Diese Verbiegung wiederum erzeugt in der Sinneszelle einen elektrischen Impuls, der über Nerven zum Gleichgewichtszentrum im Gehirn weitergeleitet wird. Die Bogengänge erfassen somit die Bewegungen des Kopfes in eine bestimmte Richtung. In den beiden Vorhofsäckchen (Utriculus und Sacculus) hingegen wird die Beschleunigung der Kopfbewegungen ebenfalls mit Hilfe von Sinneszellen gemessen. Auch diese Information wird über einen Nerven zum Gehirn geleitet. Nun liegen die 3 Bogengänge in den 3 Ebenen des Raumes:
Abb. 2 1 Bogengang liegt horizontal, der 2. senkrecht dazu in der vertikalen Ebene und der 3. Bogengang in der Frontalebene (Abb. 2). Jeder dieser Bögen ist für die Empfindung der Drehung des Kopfes in eine bestimmte Richtung zuständig:
Bewegungen nach oben und unten (vertikaler Bogengang), Bewegungen nach rechts und links (horizontaler Bogengang) und seitliche Drehungen (frontaler Bogengang).
Neigt man z.B. den Kopf nach unten werden die Sinneszellen des vertikalen Bogenganges aktiviert, dreht man den Kopf nach rechts diejenigen des horizontalen und neigt man den Kopf in Richtung auf die linke Schulter der frontale Bogengang. Über einen Nerven werden die Impulse der 3 Bogengänge zum Gehirn geleitet, wo sie weiter verarbeitet werden.
Weiter sind an der Bestimmung der Position des Körpers beteiligt:
Beteiligt sind im Gehirn das Gleichgewichtszentrum im Hirnstamm und das Kleinhirn.
Das Gleichgewichtszentrum im Hirnstamm ist keine umschriebene und abgrenzbare Struktur des Gehirns, sondern ein Netzwerk aus Nervenfasern. Aus diesen Informationen „berechnet“ das Gleichgewichtszentrum, in welcher Lage im Raum sich der Körper befindet:
Abb. 3 Steht der Körper z.B. aufrecht oder schräg, liegt er auf dem Rücken, dem Bauch oder auf der Seite usw..
Das Kleinhirn (Abb. 3) ist für die Koordination der Bewegungen und für das Gleichgewicht zuständig. Gleichgewichtszentrum und Kleinhirn senden Befehle an die Augen- und Bewegungsmuskulatur, um das Gleichgewicht zu halten und den Körper in der jeweiligen Position zu halten.
Normalerweise passen die Informationen der verschiedenen Sensoren, die das Gehirn erhält, gut zusammen und passen zueinander. Dreht der Mensch seinen Kopf beispielsweise nach links liefern alle o.g. Sensoren dieselbe Information und für Gleichgewichtszentrum und Kleinhirn ergibt sich das Bild, daß der Kopf nach links gedreht wurde.
Wenn die Informationen, die die verschiedenen o.g. Sensoren und Sinnesorgane an das Gehirn senden, nicht zueinander passen und widersprüchlich sind kann Schwindel auftreten. So kann es z.B. sein, daß die Augen sehen, daß der Körper aufrecht und gerade steht, das linke Gleichgewichtsorgan im Innenohr diese Information bestätigt, das rechte aber aufgrund einer Funktionsstörung meldet, daß der Körper auf der Seite liegt.
In diesen Fällen kommt das Gehirn durcheinander und kann nun nicht mehr richtig entscheiden, in welcher Position sich der Körper nun wirklich befindet. Hieraus resultiert dann das Empfinden von „Schwindel“.
Die Ursache des Schwindels kann auch im Gehirn selber liegen, wenn die hier eingehenden Informationen und Sinneseindrücke nicht mehr richtig verarbeiten werden können.
Ursache hierfür können z.B. Durchblutungsstörungen des Gehirns sein, wenn Nährstoffe fehlen oder Medikamente die Hirnfunktion beeinträchtigen.
Auch seelische Ursachen können Schwindeln auslösen.
In vielen Fällen kennt man aber diejenigen Sensoren oder Vorgänge, die zum Empfinden von Schwindel führen, nicht und die Ursache des Schwindels bleibt unklar.
Es gibt keine einheitliche Einteilung und Klassifikation von Schwindel. Man teilt ihn vielmehr nach den feststellbaren Ursachen und der Art des Schwindels ein, wobei in etwa der Hälfte aller Fälle keine Ursache feststellbar ist.
Die Krankheit entsteht durch eine Vermehrung der Flüssigkeitsansammlung im Innenohr, deren Ursache unklar ist.
Durch diese Flüssigkeitsansammlung erhöht sich der Druck im Innenohr, wodurch eine dünne Zellmembran einreißt, die normalerweise die Flüssigkeitskanäle der Bogengänge und der Schnecke trennt. Hierdurch kommt es zu abnormen Fließbewegungen der Flüssigkeit sowohl in den Ampullen der Bogengänge als auch in der Schnecke, was in den Sinneszellen beider Systeme wahrgenommen wird.
Da die „Messungen“ der Sinneszellen über die Gehör- und Gleichgewichtsnerven ins Gehirn gesendet werden entstehen hier widersprüchliche und verwirrende Informationen, was plötzliche Drehschwindelattacken, Übelkeit und Hörstörungen auslöst.
Dieser Drehschwindel tritt anfallsartig mehrmals täglich über Tage bis Wochen auf.
Er dauert wenige Sekunden bis Minuten. Auslöser sind schnelle Bewegungen des Kopfes.
Ursache sind winzige „Ohrsteinchen", die normalerweise auf den Härchen der Sinneszellen im Utriculus und Sacculus liegen und hier für die „Messung“ der Beschleunigung des Kopfes zuständig sind. Diese Steinchen können sich nun z.B. durch eine Entzündung des Gleichgewichtsorgans, einen Sturz, eine Kopfverletzung oder im fortgeschrittenen Alter lösen und in die Bogengänge gelangen. Hier können sie bei bestimmten Kopfbewegungen die Sinneszellen der Bogengangsampullen irritieren, die nun falsche Informationen über die Lage des Kopfes an das Gehirn senden. Dies wiederum verursacht dann Schwindel.
Die Ursache dieses Ausfalls ist nicht bekannt, vermutet werden eine Virusentzündung, eine Durchblutungsstörung und bestimmte krankhafte Immunvorgänge im Körper.
Durch die einseitige Funktionsstörung des Gleichgewichtsorgans bekommt das Gehirn widersprüchliche Signale aus dem gesunden und dem kranken Gleichgewichtsorgan. In der Folge kommt es zu Schwindelanfällen und der Fallneigung des Körpers zur rechten oder linken Seite, je nachdem, auf welcher Seite die Krankheit das Gleichgewichtsorgan befallen hat.
Der starke Drehschwindel, den diese Erkrankung auslöst, taucht wie aus dem Nichts auf, obwohl man sich gerade zuvor noch gut gefühlt hat.
Ursache und Auslöser sind nicht bekannt.
Bei dieser Erkrankung kommt es neben den für eine Migräne typischen Kopfschmerzen aber auch zu Schwindelanfällen, wobei etwa 30% der Fälle ohne Kopfschmerzen verlaufen.
Die vestibuläre Migräne ist oft verbunden mit Licht- und Lärmempfindlichkeit, Ohrgeräuschen oder Hörminderung, Sehstörungen und Übelkeit mit Erbrechen.
Um die Diagnose stellen zu können müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein.
Ursache ist eine Virusentzündung des Innenohrs.
In solchen Situationen bekommt das Gehirn für einen kurzen Moment nicht genug Blut, was zu Beschwerden wie Schwindel, Benommenheit und Schwarzwerden vor den Augen führen kann.
Verursacht werden kann Schwindel infolge einer Herz-Kreislauf-Erkrankung durch
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Abb. 4 |
Ausgelöst wird er durch nervliche Belastungen wie familiäre und berufliche Probleme, aber auch bei Anspannung, Überforderung, Ärger, Sorgen, Angst, Stress, Schicksalsschläge oder Panikattacken.
Dabei handelt es sich im Grunde um eine ganze Reihe von Leiden, bei denen die Psyche eine wesentliche Rolle spielt. Psychogener Schwindel tritt gehäuft bei bestimmten psychischen Störungen und Erkrankungen wie z.B.
Psychogener Schwindel wird häufig als Benommenheit empfunden, andere Beschwerden (wie z.B. Erbrechen)
Es gibt aber auch Medikamente, die zu Schwindelerscheinungen führen, von denen man aber nicht weiß, was dessen Ursache ist wie z.B. Medikamente gegen
Ein durch Medikamente verursachter Schwindel wird oft als Benommenheitsgefühl empfunden. Er verschwindet in der Regel nach dem Absetzen der Medikamente wieder.
Medikamente, die das Innenohr schädigen (z.B. bestimmte Antibiotika) können aber auch zu einer dauerhaften Schädigung des Innenohres und damit zu dauerhaftem Schwindel führen.
Seine Ursache liegt darin, daß sich mit zunehmendem Lebensalter die für das Gleichgewicht wichtigen Organe und deren Wahrnehmungen verändern können, z.B. die Augen, die Ohren oder die Nerven der Beine. Auch werden äußere Reize mit den Jahren schlechter verarbeitet und die Reaktionsgeschwindigkeit darauf verlangsamt sich.
All diese Faktoren zusammen mit einer zunehmenden Schwächung der Muskulatur können Stand- und Gangsicherheit beeinflussen und dazu führen, daß im Alter Schwindelgefühle entstehen.
Hinzu kommt, daß auch Herz-Kreislauferkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes, Stoffwechselstörungen und der Morbus PARKINSON, die alle das Gleichgewichtssystem einschränken können, im höheren Alter häufiger auftreten.
Hier unterscheidet man den
Beim systematischen Schwindel findet sich die Ursache im Bereich des Gleichgewichtsorgans, im Bereich des Hirnstammes oder im Bereich des Kleinhirns.
Die Patienten berichten über
Beim unsystematischen Schwindel liegt die Ursache in der Regel außerhalb des Gleichgewichtssystems. Angegebene Beschwerden sind z.B.
Die beschriebenen Einteilungen des Schwindels haben eine nur sehr begrenzte Aussagekraft, denn es fällt den Betroffenen oft schwer, ihre Beschwerden zu formulieren und schildern oft eher diffuse, schwer greifbare Beschwerden.
Wenn jemand über Dreh- oder Schwankschwindel berichtet ist dies eindeutig, aber die Abgrenzung von Benommenheitsgefühl oder körperlicher Unsicherheit wird von Mensch zu Mensch unterschiedlich berichtet.
Schwindel ist (bei älteren Menschen häufiger als bei jüngeren) ein häufiges Symptom. 5 - 10% aller Menschen, die zum Hausarzt gehen klagen darüber. Die häufigsten Ursachen für Schwindel sind:
Die meisten Formen von Schwindel sind in der Regel harmlos. Es gibt aber auch gefährliche Ursachen.
Die Gefahren resultieren dabei nicht nur aus der zugrunde liegenden Krankheit (z.B. Durchblutungsstörungen des Gehirns, bestimmten Herzrhythmusstörungen oder Hirntumoren), sondern auch aus der Situation, in der der Schwindel auftritt (z.B. bei Autofahren oder wenn man an der Bahnsteigkante steht, wegen des Schwindels auf die Schienen fällt und die Eisenbahn kommt).
Die Abklärung von Schwindel ist kompliziert und erfordert in der Regel verschiedene Fachdisziplinen: Neurologen, HNO-Arzt, Orthopäden, Kardiologen, Röntgenologen oder einen Endokrinologen, der sich um bestimmte Stoffwechselvorgänge kümmert.
Angesichts der Vielzahl möglicher Ursachen für Schwindel oder Benommenheit wundert es nicht, daß eine ebensolche Vielzahl von Untersuchungen aus den verschiedenen Fachrichtungen angewendet werden können. Dazu muß der Arzt zu Beginn, wenn sich ein Patient mit Schwindel bei ihm vorstellt, klären, in welche Richtung er untersuchen muß:
In neurologische, Hals-Nasen-Ohren-ärztliche, orthopädische, kardiologische oder augenärztliche Richtung, wobei ich mich in diesem kardiologischen eBook hauptsächlich mit denjenigen Untersuchungen beschäftige, die durchgeführt werden, wenn der Verdacht darauf besteht, daß Herz bzw. Kreislauf die Ursache des Schwindels sind.
Für die Richtung, in der weitere Untersuchungen erfolgen müssen, ist die Erhebung der Krankenvorgeschichte (Anamnese) und die körperliche Untersuchung von zentraler Bedeutung.
Einzelheiten über die Anamnese erfahren Sie, wenn Sie hier klicken.
Gefragt werden muß nach
Speziell im Hinblick auf den beklagten Schwindel sind die folgenden Fragen wichtig:
Einzelheiten erfahren Sie, wenn Sie hier klicken. Dazu gehören:
Mit Nystagmus bezeichnet man unkontrollierbare, rhythmische Bewegungen der Augen, wie sie bei Schwindel vorkommen können.
Film 2 Diese Augenbewegungen können ruckartig sein, aber ebenso in einer Pendelbewegung der Augen zu beiden Seiten auftreten (Film 2). Auf Einzelheiten möchte ich an dieser Stelle nicht genauer eingehen.
Abb. 5 Um den Nystagmus besser beobachten zu können benutzt man eine sog. FRENZEL-Brille. Dabei handelt es sich um eine rundum geschlossene Leuchtbrille mit stark vergrößernden Gläsern (Abb. 5). Der Nachweis eines Nystagmus spricht dafür, daß die Ursache des Schwindels im Gleichgewichtsorgan oder im Gleichgewichtsnerven liegt, z.B. bei einer einseitigen Neuropathia vestibularis, bei der MENIÈRE-Krankheit oder bei einer Erkrankung des Kleinhirns oder des Hirnstamms.
Schwindel kann durchaus auf eine schwere Krankheit zu beziehen sein. Daher muß der 1. Schritt bei Patienten, die sich mit Schwindel vorstellen, darin bestehen, solche schwerwiegenden Krankheiten zu finden oder sie auszuschließen. Zu solchen schwerwiegenden Erkrankungen gehören:
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